Öffentliche Haushalte erstarken

27.4.12, Seite 16 Vollbeschäftigung: ein zeit- und gesellschaftskontingenter Begriff, Frage 3 “Vollbeschäftigung: ein „einfach“ zu verfolgendes Ziel?“

Keine Frage sondern die Einleitung des Abschnitts, die es lohnt, betont/hervor gehoben zu werden: Das Vollbeschäftigungsziel der Wirtschaftspolitik besteht auch deshalb, weil eine hohe Arbeitslosigkeit vor allem die öffentlichen Haushalte treffen würde. Zum einen würden die Einnahmen in Form direkter und indirekter Steuern sowie der Sozialabgaben der Erwerbstätigen wegfallen und zum anderen müssten zur Existenzsicherung der Erwerbslosen die Staatsausgaben erhöht werden. Neben dem öffentlichen Haushalt würde damit auch das lohnzentrierte Sozialversicherungssystem in Deutschland unter einer hohen Arbeitslosigkeit leiden.

Was als Ziel daherkommt, ist eigentlich eine klare Sache, praktisch ein Muss. Gehen wir von 10 Millionen Menschen aus, die für eine über ein „Arbeitsamt“ verteilte Tätigkeit zusätzlich gewonnen werden können, steigt das Bruttosozialprodukt um deren Leistung und gleichzeitig wird der Sozialsstaat entlastet. Öffentliche Haushalte erstarken. Hierzu ist nur nötig, aus den vielen liegen bleibenden Aufgaben bezahlte Arbeit als Aufträge für den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Das würde auch helfen, das Menschenrecht auf Arbeit zu verwirklichen .

Gesetzliche Zielrichtungen

26.4.12, Seite 15 Vollbeschäftigung: ein zeit- und gesellschaftskontingenter Begriff, Frage 2 “Theoretische Grundlagen zur Erklärung von Beschäftigungsentwicklungen“
Dieser Abschnitt führt an die neoklassische Wirtschaftswissenschaft mit angebotstheoretischen Erklärungen heran und an den Keynianismus mit nachfragetheoretischen Erklärungen. Beides wird für gesetzliche Zielrichtungen verwendet.

Beide gesetzlichen Zielsetzungen deuten darauf hin, dass jenseits der theoretischen Dichotomie Beschäftigung immer ein Kuppelprodukt aus klassischen und keynesianischen beziehungsweise angebots- und nachfragetheoretischen Maßnahmen ist.

Bevor Arbeitslosigkeit bekämpft und somit Vollbeschäftigung angestrebt werden kann, muss Klarheit über die Ursachen dieser Arbeitslosigkeit herrschen, denn eine angebotsorientierte Arbeitslosigkeit mit nachfrageorientierten Maßnahmen oder umgekehrt zu bekämpfen, würde wenig bringen und womöglich zu noch größerem volkswirtschaftlichen Schaden führen.

Die Welt, wie sie ist, wird mit Modellen abgebildet und regieren kann bedeuten, am Modell herumzudoktern und damit die Welt zu gestalten. Regieren kann aber auch bedeuten, das Neue zu erobern, und sich einer anderen Welt zu nähern. Die alte, bisherige Welt ist diejenige, in der der Mensch der Wirtschaft dient. Die neue ist hier schon öfter gefordert und z.B. im Kompendium der marktwirtschaftlich-sozialökologischen Ökonomik erläutert. (Ein historisches Beispiel für etwas Neues ist das Das Wörgler Schwundgeld (Freigeld).)

Was ist Vollbeschäftigung

25.4.12, Seite 13 Vollbeschäftigung: ein zeit- und gesellschaftskontingenter Begriff, Frage 1 “Was ist Vollbeschäftigung?”
… So ist in Paragraf 1 des mittlerweile vergessenen, aber immer noch gültigen Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft aus dem Jahre 1967 von einem hohen Beschäftigungsgrad die Rede. Mit „hoher Beschäftigungsgrad“ kann, muss aber nicht Vollbeschäftigung gemeint sein.

Für den Sachverständigenrat war 1967 eine Arbeitslosenquote von 0,8% als Vollbeschäftigung zu verstehen und heute spricht man bei einer Arbeitslosenquote von 5% von Vollbeschäftigung.

So wird das allgemein gesehen und in einem deregulierten Markt auch als Schicksal hingenommen. Vorhersehbar und inzwischen absehbar entsteht daraus Massenelend und soziale Unruhen. Um zu einem gesellschaftlichen Frieden und einem nur wenig belasteten Sozialstaat zu kommen, braucht es eine Vollbeschäftigung, wie sie dieser Blog definiert: Es gibt einen Überhang von auskömmlichen Arbeitsplätzen.

Über die Autoren

24.4.12 Bevor der dritte Aufsatz betrachtet werden soll, ein kurzes Wort zu den Autoren. Der Bundeszentrale für politische Bildung gelingt es ja, ausgewiesene Fachleute für die Beiträge zu gewinnen. Der ditte Beitrag kommt von Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok, die beim Mitautor Prof. Dr. Werner Sesselmeier promovierte. Der wiederum promovierte bei Prof. Dr. Dr. h. c. Bert Rürup. Ein Netz, wo die drei als Beirat und externe Mitarbeiterin zu finden sind, ist das Institut WifOR. Die beiden Autoren haben aber eine weitere Gemeinsamkeit. Sie arbeiten in der Gesellschaft für sozialen Fortschritt. Werner Sesselmeier ist der Herausgeber der zugehörigen Zeitschrift und Frau Yollu-Tok ist redaktioneller Leiter. Das Besondere: Die Gesellschaft für Sozialen Fortschritt e.V. ist über 100 Jahre alt. Sie steht für den Anspruch, auf hohem Niveau wissenschaftliche Analysen zur ganzen Breite der Sozialpolitik, einschließlich der Schnittmengen zur Wirtschaftspolitik (Arbeitsmarkt, Einkommenspolitik etc.) vor dem Hintergrund eines breiten gesellschaftspolitischen Erkenntnisinteresses in die öffentliche Diskussion zu tragen. Auch die europäische Integration ist bei uns ein ständiges Thema.. Mal sehen, ob es da etwas zu kommentieren gibt. Beim vorigen Autor Hans-Jürgen Urban wäre das ständige Ja, Ja und wieder Ja bestimmt langweilig gewesen und ist ja auch weggefallen. Frage, wie hat Hans-Jürgen Urban gefallen?

Solidarische Neuordnung

23.4.12, Seite 12 Gute Arbeit: Leitbild einer zeitgemäßen Vollbeschäftigungspolitik, Letzter Teil “Solidarische Neuordnung des Arbeitsmarktes” aus dem Essay von Hans-Jürgen Urban

Die gesamte Abhandlung von Hans-Jürgen Urban ist Wasser auf die Mühle diesen Blogs.  Über Arbeitsmarktpolitik alleine lässt sich der Schwenk hin zu einer am Leitbild Gute Arbeit ausgerichteten Vollbeschäftigungsstrategie nicht bewerkstelligen. Hierzu bedarf es einer anderen Wirtschafts- und Steuerpolitik.

Notwendig ist vielmehr eine solidarische Neuordnung des Arbeitsmarktes, die darauf zielt, Prekarität und Armut für Beschäftigte und Arbeitslose zu vermeiden und für beide Perspektiven und Sicherheit zu schaffen.

Fazit: Nicht Niedriglöhne, ausufernde Arbeitszeiten, verschleißende Arbeitsbelastungen und Druck auf Arbeitslose, sondern ein starkes Flächentarifvertragssystem, faire Löhne und sichere Beschäftigung, Investitionen in Bildung und Qualifizierung sowie humane Arbeitsbedingungen weisen die richtige Richtung für eine an Guter Arbeit orientierte, wohlfahrtsstaatliche Vollbeschäftigungspolitik.

Lokal, regional, global, bitte verwirklichen!

 

Rückkehr sozialer Unsicherheit

21.4.12, Seite 9 Gute Arbeit: Leitbild einer zeitgemäßen Vollbeschäftigungspolitik, Abschnitt 2 „Prekarisierung und soziale Ungleichheit als Programm für Vollbeschäftigung?“ aus dem Essay von Hans-Jürgen Urban

Eine kritische … und ehrliche(n) Analyse der Arbeitsmarktentwicklung ..lässt … schnell deutlich werden, dass das Bild des weitgehend problemfreien Arbeitsmarktes nicht zutrifft. Es droht ein Sockel verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit. Bei der Zunahme der Beschäftigungsverhältnisse handelt es sich nicht selten um atypische und zugleich um prekäre Beschäftigungsverhältnisse, und den Betroffenen ist der Weg in ein unbefristetes, sicheres Normalarbeitsverhältnis auf Dauer versperrt. Hier entwickelt sich ein gespaltener Arbeitsmarkt mit gut bezahlten Fachkräften einerseits und prekär und zu Niedriglöhnen Beschäftigten andererseits.
Die Folge dieser Entwicklung ist die Zunahme sozialer Ungleichheit und die „Rückkehr sozialer Unsicherheit“ in die Lohnabhängigenexistenz.

Gute Arbeit

20.4.12 Seite 8 Gute Arbeit: Leitbild einer zeitgemäßen Vollbeschäftigungspolitik, Abschnitt 1 aus dem Essay von Hans-Jürgen Urban

Die Stimmung scheint gut: Wenn heute über den Arbeitsmarkt gesprochen wird, dann überschlagen sich die Erfolgsmeldungen…..  ….So zeigt schon eine ehrliche Bilanz der aktuellen Entwicklungen am Arbeitsmarkt, dass nicht einmal die angeblichen Erfolgszahlen einer genauen Überprüfung standhalten. Gründe genug, um nach einer Alternativstrategie zu suchen.

Fazit

19.4.12 Seite 7 Wege zur Vollbeschäftigung, Abschnitt 4, Fazit, aus dem Essay von Thomas Straubhaar

…die Arbeitslosigkeit ist deutlich zurückgegangen. Die makroökonomischen Rahmenbedingungen sprechen dafür, dass diese erfreuliche Entwicklung in den nächsten Jahren andauert.
Und dann folgen die Rezepte niedrigere Tarifabschlüsse, höhere Mobilität der Arbeitsuchenden, mehr Bildung und Verbesserung der Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf. Natürlich per Sozial- und Bildungspolitik und gegebenenfalls über direkte Transfers und Hilfe zu Lasten des Steuerzahlers.
Was für diesen Blog interessant gewesen wäre, wozu überhaupt Vollbeschäftigung, wurde im Essay nicht erwähnt. Das wurde quasi als erstrebenswerte Ausgangslage für eine Empfehlung der Verschärfung des Politikwechsels seit dem Genossen der Bosse Schröder vorausgesetzt.
Tipp: Eine Webseite mit einem Abriss der Wirtschaftspolitik vom 1. Weltkrieg an bis zum Kanzler Schröder findet sich bei Ralph Netzker: Die Krise des Fordismus.

Daueraufgabe

18.4.12 Seite 7 Wege zur Vollbeschäftigung, Abschnitt 3, Wege Richtung Vollbeschäftigung, aus dem Essay von Thomas Straubhaar

Bevor es zum Abschnitt 4, dem Fazit des Essays kommt, kann dem Rest der „Wege Richtung Vollbeschäftigung“ nur zugestimmt werden: Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärken… …beispielsweise durch verbesserte Kinderbetreuungsangebote.

Und: Bildungsinvestitionen sind Zukunftsinvestitionen. Um das Ziel der Vollbeschäftigung realisieren zu können, bedarf es neben einer gezielten Politik, die auf Langzeitarbeitslosigkeit gerichtet ist, einer Politik, die auf die Fachkräfte zielt. Das kann nur gelingen, wenn das (Aus-)Bildungssystem ständig weiterentwickelt und den geänderten Anforderungen einer modernen Arbeitswelt angepasst wird. Das ist keine Einmal-, sondern eine Daueraufgabe.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Arbeit würde enorm verbessert, wenn Arbeitszeitverkürzung wieder ein Thema wäre. In der taz vom letzten Wochenende greift Walter Lochmann das Modell des Lebensarbeitszeitskontos auf.

Empfehlungen zu gering Qualifizierten

17.4.12 Seite 6 Wege zur Vollbeschäftigung, Abschnitt 3, Wege Richtung Vollbeschäftigung, aus dem Essay von Thomas Straubhaar

Gering Qualifizierte kosten nach dem bisher Gesagten mehr, als das, was sie einbringen. Folglich muss nach Th. Straubhaar der Arbeitgeber entlastet werden. „…eine wesentliche Maßnahme zur Verbesserung der Beschäftigung von gering Qualifizierten (besteht) in der Absenkung der lohnabhängigen Sozialversicherungsbeiträge.“
Das reicht aber nicht. „Deshalb müssen die Löhne von bestimmten Arbeitnehmern durch Zuschüsse ergänzt werden.“
Das reicht aber immer noch nicht. Deshalb einfach diesen Teil der arbeitsuchenden Bevölkerung abschaffen: „Für die weitere Entwicklung der Beschäftigung ist es daher von besonderer Bedeutung, die Zahl der gering Qualifizierten zu reduzieren. Dazu ist es notwendig, die in den nächsten Jahren demografisch bedingt ausscheidenden Arbeitnehmer mit geringen Qualifikationen durch solche mit besseren Qualifikationen zu ersetzen.“
Das ist natürlich so nicht gemeint, das Bildungssystem soll es richten, dass solche gering Qualifizierten erst gar nicht existieren. Soweit diese Stelle im Essay.
Wird hier immer Vollbeschäftigung mit auskömmlichen Arbeitsplätzen für alle definiert, kommt wegen der Würde auch der gering Qualifizierten noch etwas hinzu. Alfred Adler sagt, das höchste Gut eines Menschen ist Ansehen und Geltung. Wer nicht be- und geachtet wird, vegetiert dahin, ist ein Ausgestoßener. Der Kern der Geltung ist die permanente Bestätigung, dass der Mensch zur Gemeinschaft gehört, Teil der Gesellschaft, einer Gruppe, einer Familie ist. Der Wunsch, gebraucht zu werden, ist Ausdruck des Anspruchs auf Geltung in der Gesellschaft. So wie der Antritt der Rente, das Nicht-mehr-gebraucht-werden, manchmal tödlich ist, kann auch die obige Behandlung von gering Qualifizierten tödlich genannt werden. Michael Moore nennt die Detroiter Manager, die 50.ooo entlassen haben, Mörder.